Christian Vollmann über das neue „Förder-Modell“ bei nebenan.de

Bild: JFR Creatives

Nebenan.de soll nachhaltig, transparent und fair betrieben werden – und trotzdem für Privatpersonen kostenlos bleiben. Gründer Christian Vollmann erzählt im Interview, warum er dafür auch auf die Unterstützung der Nutzer setzt.

Christian, eure Nutzer können nebenan.de jetzt durch einen freiwilligen Förderbeitrag unterstützen. Wie ist die Resonanz bisher?

Ich freue mich sehr, wie positiv unsere Nutzer auf das neue Förder-Modell reagiert haben! Wir haben alle Nachbarn vor wenigen Wochen in einem ausführlichen Newsletter darüber informiert, wie der Weg in Richtung Refinanzierung der Plattform aussieht und offen erklärt, was wir vorhaben. Auf diesen Brief haben wir sehr viel gutes Feedback und Zuspruch erhalten.

Eine Nachbarin aus Düsseldorf schrieb zum Beispiel: "Ich bin seit Beginn ein begeisterter nebenan.de-Fan und beteilige mich gerne mit einem kleinen Beitrag monatlich! Hier in Flingern-Süd hat eure Idee viel bewirkt. U.a. trifft sich seit 2 Jahren monatlich ein Stammtisch, an dem sich mittlerweile ca. 20 Leute beteiligen. Oft passiert es mir, dass ich jetzt im Stadtteil nette Menschen treffe, die ich nicht kennen gelernt hätte ohne Euch!"

Wir haben jetzt schon mehrere tausend Förderer, die uns im Schnitt mit mehreren Euro pro Monat unterstützen. Ab 1€ geht's los, aber viele Nutzer sind bereit, mehr zu geben.

Diese Bereitschaft, unsere Nachbarschaftsplattform finanziell mitzutragen, ist ein enormer Vertrauensbeweis und spiegelt wider, wie viel den Menschen ihre digitale Nachbarschaft mittlerweile bedeutet.

Ich bin sehr gespannt, wie sich das weiter entwickelt und wie lange die Förderer im Schnitt ihre monatliche Unterstützung aufrechterhalten. Das wird die Zeit zeigen. Ich hoffe, dass noch viele weitere Nachbarn Förderer werden.

Für soziale Netzwerke ist ein freiwilliges Förder-Modell sehr ungewöhnlich. Warum habt ihr diesen Weg eingeschlagen?

Leider haben sich im Internet viele Geschäftsmodelle etabliert, die auf der Auswertung von Nutzerverhalten und Profildaten sowie deren Weitergabe an Werbetreibende beruhen. Wir glauben jedoch, dass es nicht im Interesse der Nutzer ist, wenn Algorithmen und Werbekunden definieren, wer welche Inhalte auf der Plattform zu sehen bekommt. Daher lehnen wir solche Modelle für nebenan.de ab.

Auch ein kostenpflichtiges „Premium-Modell“ haben wir ausgeschlossen. Wichtig ist uns: Jeder kann, keiner muss einen finanziellen Beitrag leisten. nebenan.de kann auch in Zukunft von allen Nachbarn wie gewohnt kostenlos genutzt werden. ​Wir möchten keine Zwei-Klassen-Gesellschaft in unseren Nachbarschaften.

Nachbarschaft ist eine Gemeinschaft, in der sich alle einbringen können – sei es mit einem Förderbeitrag oder mit Engagement vor Ort.
Ich höre von Nachbarn immer wieder, wie „erfrischend unkommerziell“ es bei nebenan.de zugeht – und das soll auch weiterhin so bleiben!

Warum glaubst du sind eure Nutzer bereit, einen Beitrag für nebenan.de zu zahlen?

Unsere Plattform gibt es jetzt seit drei Jahren und hat sich für viele bereits bewährt. Sie zahlen also nicht für etwas, das sie noch nicht kennen, sondern für ein Produkt, das ihnen bereits positive Erlebnisse und Erfahrungen beschert hat.

Menschen haben neue Bekanntschaften in ihrer Umgebung geknüpft, neue Freunde gefunden, sie gestalten ihre Freizeit in der Nachbarschaft gemeinsam, helfen sich im Alltag, starten gemeinsame Aktionen…

Dieses neue Gefühl des Miteinanders ist vielen Nutzern etwas wert.

Ich glaube auch, dass viele unserer Nutzer ein gewisses Verständnis dafür haben, dass auch kostenlose Angebote wie nebenan.de Personal- und Betriebskosten verursachen, die wir langfristig decken müssen.

Da gibt es die IT, die das Produkt weiterentwickelt und alles stabil und sicher am Laufen hält oder unser Hilfe-Team, dass mittlerweile 1 Million Nutzern per E-Mail und Telefon mit Rat und Tat zur Seite steht und viele wichtige Mitarbeiter mehr. Unser Team ist mittlerweile auf über 60 angewachsen.

Die Beträge aus dem Förder-Modell werden aber nicht alle Ausgaben decken können. Was sind die anderen Säulen eurer Finanzierungsstrategie?

Der zweiten Säule haben wir das Motto „Lokal gewinnt“ gegeben. Wir möchten lokales Gewerbe und die Nachbarn wieder näher zusammenbringen und den „Shop Local“ Gedanken stärken. Das heißt, dass wir die Nachbarn dazu ermutigen wollen, wieder beim Buchladen im Viertel zu kaufen statt ihr Buch online zu bestellen.

Wir möchten also lokalem Gewerbe gegen eine Gebühr ermöglichen, auf nebenan.de vertreten zu sein und die Nachbarn über ihre Angebote zu informieren. Die Angebote basieren dabei immer auf der örtlichen Nähe, nicht auf dem Nutzerverhalten.

Wir wollen die Plattform nicht mit Banner-Anzeigen zumüllen, sondern für lokale Händler und Nachbarn einen echten Mehrwert bieten.

Dafür ist es ebenso wichtig, die Empfehlungen für besondere Orte in der Nachbarschaft weiter auszubauen: Wo ist der beste Arzt, wo gibt es das leckerste Eis, wo gibt es eine gute Schneiderei? Dieses für alle Nachbarn wertvolle, lokale Wissen wollen wir in Zukunft besser bei nebenan.de sichtbar machen, sodass zusammenfindet, was zusammengehört: Anwohner und lokale Gewerbetreibende sowie lokale Organisationen.

Bisher hat sich die Good Hood GmbH, die nebenan.de betreibt, über Investoren wie z.B. den Burda-Verlag finanziert. Sind die Investoren auch in Zukunft noch gefragt?

Ja, die Unterstützung der Investoren wird noch eine Weile eine wichtige Rolle spielen. Man verdient ja nicht von heute auf morgen so viel Geld, dass man davon das gesamte Team bezahlen kann. Ich bin zuversichtlich, dass wir ein tragfähiges Konzept für die Zukunft haben und in Zukunft auf eigenen Beinen stehen werden.

Das schnelle große Geld zu machen, steht für uns nicht im Fokus. Und ich hoffe, die Menschen, die nebenan.de nutzen, spüren das. Wir wollen Nachbarschaften nachhaltig beleben und Menschen zusammenbringen, und das europaweit.

Gutes Stichwort: Die Good Hood GmbH ist seit letztem Jahr auch in Frankreich erfolgreich und nun auch in Italien und Spanien aktiv. Warum möchtest du die Internationalisierung weiter vorantreiben?

Das Bedürfnis nach mehr Gemeinschaft, Hilfsbereitschaft und Mitmenschlichkeit ist auch in unseren Nachbarländern groß. Uns verbinden gemeinsame Werte und wir müssen ähnliche Herausforderungen meistern.

Unsere Plattform mesvoisins.fr in Frankreich ist mittlerweile Marktführer – das zeigt, wie hoch der Bedarf auch dort ist. Wir sind schon jetzt die größte europäische Nachbarschaftsplattform. Meine Vision ist, dass wir diesen Gedanken auch noch in weitere Länder tragen.

Denn bisher waren Nutzer hierzulande stets auf die großen sozialen Netzwerke aus den USA angewiesen, die die europäischen Konkurrenzprodukte in kürzester Zeit überrannt haben.

Gerade bei so etwas Lokalem und Privatem wie der eigenen Nachbarschaft ist es Zeit für eine starke, europäische Alternative.

Zeit für ein Netzwerk, das Datenschutz ernst nimmt, die lokalen Gegebenheiten berücksichtigt und den Nutzer in den Mittelpunkt stellt.

Bist du selbst auch Förderer?

Natürlich. Jeder Förderer bekommt bei nebenan.de einen kleinen Stern neben seinem Namen. Dieses „Abzeichen“ möchte ich in meiner Nachbarschaft im Berliner Scheunenviertel sichtbar machen und mit gutem Beispiel voran gehen.

Ich habe zudem seit Beginn von nebenan.de einen sechsstelligen Betrag von meinem eigenen Geld in die Plattform gesteckt, weil mir die Idee sehr am Herzen liegt.

Christian Vollmann ist auch privat in seiner Nachbarschaft aktiv (Screenshot: nebenan.de)

Abseits vom Finanziellen: Was findest du in Nachbarschaften besonders förderwürdig?

Die Hilfsbereitschaft. Ich glaube, dass viele Menschen gerne helfen, sich nur nicht allzu häufig die Gelegenheit dazu bietet. Niemand spricht einen auf der Straße an und fragt, ob man beim Regalaufbau helfen kann.

Bei nebenan.de wird oft nach Hilfe gefragt und die Nachbarn springen gerne ein – meist ohne eine Gegenleistung zu fordern. Diesen Gedanken weiter zu fördern, finde ich sehr wichtig.

Häufige Fragen zum Förder-Modell beantworten wir hier im Hilfe-Center.

Willst du dich auch für eine gute Nachbarschaft stark machen?
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Hannah Kappes | nebenan.de

Hannah Kappes arbeitet seit 2017 im Kommunikationsteam von nebenan.de. Zuvor war sie als Journalistin und Producerin für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk tätig.